Pressemitteilung des PIK vom 3.Juni 2020
Damit Klimaszenarien für Entscheider nutzbar werden, hat ein internationales Forscherteam eine umfassende interaktive Online-Plattform entwickelt. Sie ist die erste ihrer Art, die Werkzeuge zur Nutzung dieser Szenarien – von Klimafolgen bis hin zur Klimastabilisierung – einer breiteren Öffentlichkeit jenseits der Wissenschaft zur Verfügung stellt. Die Szenarien helfen Entscheidern in Politik und Unternehmen, Finanzmärkten und Gesellschaft, die Bedrohung durch die globale Erwärmung und Möglichkeiten zu ihrer Begrenzung besser einzuschätzen.
„Klimaszenarien
sind mächtige Werkzeuge, die es uns ermöglichen, mögliche Zukünfte zu erforschen
und zu untersuchen, wie diese durch unser gemeinsames Handeln verändert werden – deshalb wollen wir
alle Arten von Entscheidern in die Lage versetzen, die Szenarien auch
tatsächlich selbst zu nutzen“, sagt Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
(PIK), der das SENSES-Konsortium leitet, welches die Online-Plattform gemeinsam
entwickelt hat. „Die Wissenschaft verwendet seit vielen Jahren Klimaszenarien
auf der Grundlage von Computersimulationen, doch die sind zugegebenermaßen eine
etwas komplizierte Sache, und die Ergebnisse der Analysen sind in allzu vielen
wissenschaftlichen Publikationen verstreut. Wir wollen nun einen neuen Weg des
Zugangs zu diesen Szenarien anbieten – damit die Menschen selbst sehen können, was bei der Klimastabilisierung
auf dem Spiel steht, und ihre Entscheidungen auf die besten verfügbaren
Informationen stützen können.“
Von 2°C bis zum Kohleausstieg, von Sonnenenergie bis Biomasse: jede Menge
Möglichkeiten
Ein Finanzexperte, der zum Beispiel das Risiko von verlorenen Investitionen in
fossile Industrien bewerten möchte, könnte sich dafür interessieren, wie
schnell die globalen Treibhausgasemissionen reduziert werden müssen, um die
Erwärmung unter der international vereinbarten Grenze von 1,5-2°C zu halten.
Der Benutzer kann sich das Lernmodul zur „Emissionslücke“ auf der
SENSES-Plattform ansehen, das grundlegende Informationen sowie Grafiken und
Weblinks zur Literatur enthält.
Für mehr Einzelheiten kann der Benutzer ein, wie die Forscher es nennen,
„Guided Exploration Module“ (GEM) nutzen. „Die GEMs bieten gleichsam eine
weiche Landung in den harten Daten und ermöglichen es den Benutzern, selbst
Szenarien zu analysieren“, erklärt die Projektkoordinatorin Cornelia Auer,
ebenfalls vom PIK. „Sie können robuste Trends verstehen, wie etwa den Ausstieg
aus der Kohle oder die Umstellung der Stromerzeugung auf klimaneutrale
Technologien, aber auch Variationen in den Szenarien, wie zum Beispiel die
Entscheidung für unterschiedliche Technologien – etwa das Herausholen von CO2
aus der Atmosphäre.“
Für diejenigen, die noch tiefer einsteigen möchten, gibt es einen „Scenario
Finder“. Benutzer können durch eine große Anzahl von Szenarien blättern, die
sie nach ihren eigenen Annahmen über die Zukunft filtern können. Diejenigen,
die der Auffassung sind, dass die Entfernung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre
in der Zukunft wahrscheinlich nicht funktionieren wird, können Szenarien mit
einer geringeren Menge an Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und
-speicherung (BECCS) aussortieren. Und diejenigen, die einen niedrigen
Energieverbrauch und ein Szenario weit unter 2°C wünschen, können nach diesen
Merkmalen filtern.
„Abschätzung potenzieller Risiken für das Finanzsystem“
Philipp Haenle, Ökonom in der Abteilung Finanzstabilität der Deutschen
Bundesbank, kommentiert: „Klima-Risiken für die Finanzmärkte erhalten immer
mehr Aufmerksamkeit. Klimaszenarien können helfen, diese Risiken besser zu
verstehen. Für einen Finanz-Ökonomen ist es jedoch eine sehr komplexe Aufgabe,
sich mit den von Naturwissenschaftlern entworfenen Szenarien vertraut zu machen
und sie für Finanzanalysen zu nutzen. SENSES ist daher ein sehr
zukunftsträchtiges Werkzeug, da es helfen kann, die zugrundeliegenden
Klimaszenarien zu verstehen und sie für die Beurteilung möglicher Risiken für
das Finanzsystem zu nutzen. Die Plattform bietet dabei auch Unterstützung für
die Entscheidung, welche Szenarien für spezifische Fragestellungen am besten
geeignet sind.“ Haenle war am Co-Design der SENSES-Plattform durch Wissenschaft
und Entscheider aus anderen Bereichen beteiligt (die Stellungnahme stellt eine
persönliche Meinung dar und gibt nicht unbedingt die Ansichten der Deutschen
Bundesbank oder ihrer Mitarbeiter wieder).
Die Plattform ist für die Nutzung durch Entscheider und Experten konzipiert,
ist aber für alle Interessierten frei zugänglich. „Es geht hier wirklich um
offene Wissenschaft“, sagt Kriegler. „Lösungen zur Bewältigung der
Klimaproblematik zu finden, ist etwas, das wir nur gemeinsam tun können. Es ist
ein Prozess, der viele verschiedene Stimmen und Perspektiven einbeziehen muss.
Ein wichtiges Element dabei ist, dass Akteure in die Lage versetzt werden,
Klimaszenarien aus der Wissenschaft zu nutzen.“ Es ist eine neue Form von
Klima-Services.
„Wir bieten den Nutzern eine Menge Wenn-Dann. Das mag ein bisschen mühsam
erscheinen, aber es ist das, was wir für notwendig halten“, so Kriegler
abschließend. „Die Grundidee von Klimaszenarien ist, dass es mehr als ein Ziel
gibt, und dass es viele Wege zu diesen Zielen gibt. Die Wahl zwischen den
Optionen hängt von den Präferenzen ab. Doch Entscheidungen sind nicht
willkürlich, man muss sich der Konsequenzen bewusst sein. Wissenschaftlich
fundierte Szenarien liefern diese Art relevanter Informationen über die
Risiken.“
Weblink zur SENSES-Plattform: https://www.climatescenarios.org/
Weblink zur Website des SENSES-Projekts: http://senses-project.org/